Dr. Reinhard Nacke
in AnwaltsZertifikat Online 18/2024 (Teil 1)
und AnwaltsZertifikat Online 19/2024 (Teil 2)
Grundzüge der rechtsfähigen Stiftung
nach der Reform des Stiftungsrechts
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(Teil 1)
A. Einleitung und Überblick
2023 sind die für rechtsfähige Stiftungen (nachfolgend „Stiftung“ und „Stiftungen“) geltenden Bestimmungen des BGB und der Stiftungsgesetze der Länder erheblich erweitert worden. Dies führte zur Außerkraftsetzung entgegenstehender landesgesetzlicher Regelungen und in der Folge zu deren – noch nicht überall abgeschlossenen – Neufassung. Auch wenn wesentliche Regelungen ins BGB übernommen worden sind, bleiben die Landesgesetze 1 von Bedeutung. Sie sind nicht einheitlich, selbst soweit sie neu gefasst wurden (beispielhaft werden in dieser Abhandlung die Stiftungsgesetze von NRW und Mecklenburg-Vorpommern herangezogen). Sie enthalten nach wie vor Regelungen von erheblicher praktischer Bedeutung (vgl. z. B. § 6 Stiftungsgesetz NRW und § 4 des Stiftungsgesetzes MecklVP zur jährlichen Berichtspflicht des Stiftungsvorstandes).
Die Stiftung ist eine mit einem Vermögen zur dauernden und nachhaltigen Erfüllung eines vom Stifter vorgegebenen Zwecks ausgestattete, mitgliederlose juristische Person (§ 80 Abs. 1 Satz 1 BGB). Sie entsteht also, weil Stiftende bereit sind, einer neuen Organisation dauerhaft einen Teil ihres Vermögens zum Zwecke der Verfolgung bestimmter Zwecke zur Verfügung zu stellen.
Diese Bereitschaft sollte nicht geringgeachtet werden. Zwar kann der Stiftende die Zuwendungen gemäß § 10b Abs. 1 und 1a EStG innerhalb großzügig angesetzter Höchstgrenzen steuerlich vom Einkommen absetzen. Auch Erbschaftsteuer kann unter Umständen eingespart werden. Dennoch: Stiftungen sind kein Steuersparmodell. Das Geld steht den Stiftenden unwiderruflich nicht mehr zur Verfügung.
Die Zwecke der Stiftung können vielfältig sein.2 Stiftungen müssen nicht gemeinnützig und damit gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG steuerbegünstigt sein; sie können auch auf das Wohlergehen der Angehörigen einer Familie gerichtet sein (Familienstiftung). Privatnützige und steuerbegünstigte Zwecke werden zunehmend in gemischten Familienstiftungen kombiniert.3 Sie können Einfluss auf die Politik nehmen wollen (im 2021 eingeführten Lobbyregister gibt es über 1.000 Einträge von „Stiftungen“, wobei hierin auch Einheiten wie die parteinahen „Stiftungen“ enthalten sind, die in Wirklichkeit eine andere Rechtsform aufweisen; vgl. hierzu fünf Absätze weiter). Sie können sich für die Interessen der Bürger einer Gemeinde einsetzen (Bürgerstiftung). Sie können offen oder insgeheim die Interessen eines Unternehmens fördern (unternehmensnahe Stiftungen wie die Robert Bosch Stiftung und die ALLIANZ Stiftung). Sie sind als für die Ewigkeit gedachte Rechtspersonen besonders geeignet, Ewigkeitsaufgaben zu übernehmen (RAG Stiftung).
Stiftungen können also fast als Allzweckwaffe bezeichnet werden. Aber es gibt Grenzen. Stiftungen dürfen nicht das Gemeinwohl gefährden, und das wird behördlich überwacht (§ 87 Abs. 2 Nr. 2 BGB).
Wichtiger in der Praxis als diese Grenze sind wirtschaftliche Beschränkungen. Da Stiftungen, von der Verbrauchsstiftung abgesehen, für die Ewigkeit gedacht sind, dürfen sie ihre Zwecke grundsätzlich nur mit erwirtschafteten Erträgen verfolgen. Das sogenannte Grundstockvermögen muss erhalten bleiben (§ 83c Satz 1 BGB).
Die Stiftung bedarf anders als Personen- und Kapitalgesellschaften der behördlichen Anerkennung (§ 82 BGB). Sie unterliegt auch nach der Errichtung der behördlichen Aufsicht (vgl. z. B. § 4 Stiftungsgesetz MecklVP und § 5 Stiftungsgesetz NRW).
Die Auflösung der Stiftung durch ihre Organe ist nur in Ausnahmefällen möglich und bedarf der behördlichen Genehmigung.
Zu unterscheiden von der Stiftung sind Gestaltungen, die eine gewisse Ähnlichkeit mit der Stiftung aufweisen, weil Stiftende ebenfalls ein Vermögen für einen bestimmten Zweck zur Verfügung stellen. Es wird ebenfalls ein Vermögen gestiftet, dieses wird nicht auf eine rechtsfähige Stiftung übertragen, sondern auf eine natürliche oder auch juristische Person. Diese agiert als Treuhänder auf der Grundlage eines schuldrechtlichen Vertrages (sog. unselbstständige Stiftung oder auch Treuhandstiftung 4).
Es gibt auch eingetragene Vereine, GmbHs oder AGs, die sich „Stiftung“ nennen dürfen, weil sie einen dauerhaften Stiftungszweck, eine stiftungsgemäße Organisation und eine ausreichende Kapitalausstattung haben5. Als Beispiel sind die parteinahen Stiftungen wie die Heinrich Böll oder die Konrad Adenauer Stiftung zu nennen, die beide eingetragene Vereine sind.
All diese Gestaltungen weisen allerdings in der Regel eine Besonderheit nicht auf, die prägend ist für die rechtsfähige Stiftung. Wenn der im Stiftungsgeschäft zum Ausdruck gebrachte Wille eines Stiftenden auf die Errichtung einer sogenannten Ewigkeitsstiftung und auf die Verfolgung eines bestimmten Zwecks gerichtet ist, kann er/sie ziemlich sicher sein, dass sein Wille auch dann gilt, wenn andere bei der Stiftung das Sagen haben. Es gilt der Grundsatz der Unauflösbarkeit und das Primat des Stifterwillens (vgl. § 83 Abs. 2 BGB). Um bei anderen Gestaltungen Ähnliches zu erzielen, sind viele Klimmzüge erforderlich6.
Trotz der Vielseitigkeit: Auch wenn es ca. 25.700 rechtsfähige Stiftungen in Deutschland gibt, besetzt diese Rechtsform auf absehbare Zeit verglichen mit 600.000 eingetragenen Vereinen nur eine Nische. Immerhin wird die Zahl von 6.000 Aktiengesellschaften deutlich übertroffen7.
Bei den im Augenblick existierenden Stiftungen handelt es sich ganz überwiegend um solche gemeinnütziger Art. Familienstiftungen bewegen sich bezogen auf die Gesamtzahl im einstelligen Prozentbereich, sind bei den Neugründungen aber nicht mehr weit entfernt von den gemeinnützigen Stiftungen8.
Informieren kann man sich über die Rechtsverhältnisse von Stiftungen in den Stiftungsregistern
der Länder. Diese genießen aber keinen öffentlichen Glauben (§ 10 Abs. 3 Stiftungsgesetz NRW; § 3 Satz 2 Stiftungsgesetz MecklVP). Ein Stiftungsregister mit Publizitätswirkung wird es erst 2026 geben.
B. Die Rechtslage
I. Errichtung der Stiftung
Zur Entstehung der Stiftung sind das Stiftungsgeschäft und die bereits erwähnte Anerkennung erforderlich (§ 80 Abs. 2 BGB). Das Stiftungsgeschäft hat nach § 81 BGB zwei Bestandteile.
Zum einen die Satzung (mit mindestens Zweck, Namen, Sitz und Vorstand der Stiftung; bei der Verbrauchsstiftung kommt gemäß § 81 Abs. 2 BGB die Zeit dazu, für die die Stiftung errichtet wird, sowie Bestimmungen zur Verwendung des Stiftungsvermögens).
Auf den Inhalt der Satzung, insbesondere auf die Bestimmung des Stiftungszwecks, ist zweckmäßigerweise große Sorgfalt zu verwenden. Satzungsänderungen sind nur soweit möglich, als das dem Stiftungszweck dient (§ 85 Abs. 3 BGB). Änderungen des Stiftungszwecks sind sogar nur möglich, wenn der Stiftungszweck nicht dauernd und nachhaltig erfüllt werden kann, wenn er das Gemeinwohl gefährdet (§ 85 Abs. 1 BGB) oder bei Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 85 Abs. 2 BGB). Zum anderen ist die Widmung eines Vermögens für den Stiftungszweck Bestandteil des Stiftungsgeschäfts.
Die Satzung bedarf der Schriftform, aber nicht der notariellen Beurkundung, selbst dann nicht, wenn § 311b BGB gelten würde9. Das Stiftungsgeschäft kann ferner in einer Verfügung von Todes wegen enthalten sein (§ 81 Abs. 3 BGB).
Mit der Anerkennung entsteht die Stiftung. Die Anerkennung (und später die Aufsicht etc.) erfolgt durch die in den Landesgesetzen vorgesehene Behörde. In NRW sind dies die Bezirksregierungen (§ 2 Stiftungsgesetz NRW), in Mecklenburg-Vorpommern das für das Stiftungswesen zuständige Ministerium (§ 2 Stiftungsgesetz MecklVP). Eine Eintragung in Stiftungsregister der Länder ist also nicht konstitutiv. Ebenso wenig die Übertragung des gewidmeten Vermögens.
Desungeachtet ist der Stifter nach der Anerkennung verpflichtet, der Stiftung das gewidmete Vermögen zur Verfügung zu stellen (§ 82a BGB).
Es besteht ein Rechtsanspruch auf Anerkennung (§ 82 BGB), wie auch die gesamte Stiftungsaufsicht als reine Rechtsaufsicht ausgestattet ist10. Bis zur Anerkennung vergehen in der Regel trotzdem einige Monate. NRW hat jetzt eine Frist von – grundsätzlich – sechs Monaten eingeführt (§ 4 Stiftungsgesetz NRW).
Streitpunkt ist bei kleineren Stiftungen oft die Höhe des Grundstockvermögens. Auch unter Fachleuten gehen die Ansichten darüber, wie hoch es sein muss, damit eine nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks (vgl. § 82 BGB) gewährleistet ist, weit auseinander. Ein Stiftungsberater nennt in diesem Zusammenhang eine Mio. Euro und bemängelt, dass zeitweise „jedes Stadttheater, jedes Hilfswerk … seine Stiftung gegründet“ habe11. Hessen verlangt für gemeinnützige Stiftungen mindestens 100.000 Euro und für Familienstiftungen 150.000 Euro. Der Bundesverband Deutscher Stiftungen setzt bewusst und wohl mit Recht keine Mindestsumme an, da es möglich sei, die Ziele auch mit einem relativ kleinen Grundstockvermögen zu realisieren. Auch dürfe nicht außer Acht bleiben, dass oft nachträglich zu Lebzeiten Stiftender oder von Todes wegen weitere Werte hinzukommen12.
Tatsächlich hängt viel von der Kostenstruktur ab. Wenn der Vorstand ehrenamtlich tätig ist, wenn er die Vermögensverwaltung selbst in die Hand nimmt und keinen Vermögensverwalter einschaltet, wenn er keinen Steuerberater beschäftigt und das Konto bei einer Onlinebank führt, reicht bei einer gemeinnützigen Stiftung auch ein Stiftungsvermögen im fünfstelligen Bereich. Immerhin fließen ihr aufgrund der Befreiung von der Körperschaftssteuer die Erträge steuerfrei zu (wenn sich die ausschüttenden Rechtsträger im Inland befinden).
II. Verwaltung der Stiftung
Die Verwaltung der Stiftung muss in Deutschland erfolgen (§ 83 BGB). Erfolgt sie im Ausland und kann die Behörde die Verlegung des Verwaltungssitzes ins Inland anders nicht erreichen, soll die zuständige Behörde die Stiftung aufheben (§ 87a BGB).
Die Verwaltung hat sich inhaltlich an dem bei der Errichtung der Stiftung erkennbar gewordenen Willen des Stifters und notfalls an seinem mutmaßlichen Willen zu halten (§ 83 Abs. 2 BGB). Maßgeblich sind also in erster Linie die im Rahmen des Stiftungsgeschäftes getroffenen Entscheidungen (§ 83 Abs. 3 BGB). Über diese darf sich auch die Behörde nicht hinwegsetzen (§ 83 Abs. 2 BGB).
III. Das Stiftungsvermögen und Haftung des Vorstandes dafür
Das Stiftungsvermögen besteht aus dem Grundstockvermögen und dem sonstigen Vermögen (§ 83b Abs. 1 BGB), bei der Verbrauchstiftung nur aus dem sonstigen Vermögen. Das Grundstockvermögen wiederum setzt sich zusammen aus dem gewidmeten Vermögen, aus Vermögensteilen, die die Stiftung zu Grundstockvermögen bestimmt und aus Zustiftungen (§ 83b Abs. 2 BGB).
Das sonstige Vermögen, das insbesondere aus Nutzungen/Erträgen und Spenden generiert wird, steht dem Vorstand nach dem Gesetzeswortlaut nicht nur zur Verwendung für den Stiftungszweck zur Verfügung (§ 83c Abs. 1 Satz 2 BGB), sondern mit ihm „ist“ der Stiftungszweck, unmittelbar oder mittelbar, zu erfüllen (vgl. auch BT-Drs. 19/28173, S. 57 und für die gemeinnützige Stiftung § 55 Abs. 5 AO). Allerdings erlaubt das Gesetz dem Vorstand in § 83b Abs. 2 Nr. 3 BGB, Erträge zu Grundstockvermögen zu erklären13 Die gemeinnützige Stiftung muss allerdings § 62 Abs. 4 AO beachten, wonach dies nur im Jahr der Errichtung und den drei Folgejahren nicht steuerschädlich ist).
Das Grundstockvermögen als Ganzes muss erhalten werden. Das hindert den Vorstand nicht, Bestandteile umzuschichten, z. B. um einem geänderten wirtschaftlichen Umfeld Rechnung zu tragen14. Wenn bei der Umschichtung ein Zuwachs des Vermögens erzielt werden kann (weil z. B. ein den Buchwert übersteigender Preis erzielt wird), „kann“ die Stiftung diesen nach der ausdrücklichen Klarstellung durch § 83c Abs. 1 Satz 3 BGB für die Stiftungszwecke einsetzen, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt und wenn die Erhaltung des Grundstockvermögens gesichert ist. Sie muss es nicht, und oft ist es auch nicht zu empfehlen. Die Kehrseite von Umschichtungsgewinnen sind Umschichtungsverluste. Um diese ausgleichen zu können, wird nicht selten eine Umschichtungsrücklage gebildet. Diese Praxis hat jetzt durch die Kannvorschrift zivilrechtlich eine gesetzliche Grundlage bekommen. Gemeinnützigkeitsrechtlich hatte die Finanzverwaltung bereits vorher grünes Licht gegeben (AEAO 2023 Nr. 32 zu § 55 AO).
Streitig ist in der Literatur, ob die Umschichtungsgewinne zum Grundstockvermögen oder zum sonstigen Vermögen gehören15. Wie oben ausgeführt, sind Umschichtungsgewinne und Umschichtungsverluste zwei Seiten ein und derselben Medaille und sollten daher nicht unterschiedlich qualifiziert werden. Da Umschichtungsverluste unstreitig das Grundstockvermögen mindern, sollten Umschichtungsgewinne es erhöhen16. Ungeachtet dessen sollten die Gewinne gesondert ausgewiesen werden, zumindest wenn die Satzung die Verwendung für die Stiftungszwecke nicht ausschließt.
Um der Gefahr vorzubeugen, dass das Grundstockvermögen über die Zeit schwindet, weil Umschichtungsverluste nicht mit früheren Umschichtungsgewinnen ausgeglichen werden (können), empfiehlt sich ggf. eine Satzungsbestimmung, nach der Umschichtungsgewinne nicht oder nur in zu definierendem Umfang ausgegeben werden dürfen.
Ausnahmsweise können vorübergehend auch (sonstige) Teile des Grundstockvermögens für die Verfolgung der Stiftungszwecke eingesetzt werden, wenn die Satzung oder eine von der Stiftungsbehörde gewährte Ausnahme das ermöglicht (§ 83c Abs. 2, 3 BGB). Das kann z. B. die Investition in eine Immobilie erleichtern. Die dies erlaubende Satzung muss allerdings bestimmen, dass das Grundstockvermögen in absehbarer Zeit wieder aufgefüllt wird (§ 83c Abs. 2 Satz 2 BGB).
Bei der Verwaltung der Stiftung bewegt sich der Vorstand in dem Spannungsfeld, mit dem Grundstockvermögen einerseits ausreichende Erträge zu erwirtschaften, damit der Stiftungszweck verfolgt werden kann, andererseits aber das Grundstockvermögen ungeschmälert zu erhalten, wie § 83c Abs. 1 BGB es verlangt.
Dieses Spannungsfeld schließt es gerade in Niedrigzinszeiten aus, ausschließlich oder ganz überwiegend sichere Bankenfestgelder zu unterhalten. Andererseits ist es für den Vorstand riskant, auf spekulative Anlagen zu setzen. Zwar gilt für die Haftung des Vorstandes die Business Judgement Rule17 gemäß § 84 Abs. 2 BGB. Auch danach muss sich der Vorstand, will er eine Haftung für den Verlust von Grundstockvermögen vermeiden, vor einer Entscheidung angemessen informieren und auf der Grundlage der Informationen glauben dürfen, zum Wohl der Stiftung zu handeln. Der Vorstand muss also bei jeder Anlage eine Risikoanalyse vornehmen, will er vermeiden, dass eine solche später von der Stiftungsaufsicht vorgenommen wird (im Augenblick prüft die zuständige Bezirksregierung, ob sich die RAG Stiftung mit mehr als 180 Millionen Euro an Unternehmen der Signa Gruppe beteiligen durfte; die Staatsanwaltschaft Essen verneinte zwischenzeitlich eine Untreue des Vorstands).
Der Vorstand muss z. B. in NRW sogar damit rechnen, dass die Behörde eine Person bestellt, die als vertretungsberechtigte Person der Stiftung für diese Schadensersatzansprüche gegen den Vorstand geltend macht (§ 9 Stiftungsgesetz NRW).
Bei der gemeinnützigen Stiftung muss der Vorstand ferner die Grundsätze der Selbstlosigkeit, Ausschließlichkeit und Unmittelbarkeit (§§ 55-57 AO) im Auge behalten, um die steuerliche Privilegierung nicht zu gefährden.
Der Schwerpunkt der Anlage wird also auf laufende Erträge abwerfenden, aber eher sicheren Anlagen liegen (ETFs, sog. Stiftungsfonds, d. h. Fonds, die sich als stiftungsgeeignet bezeichnen, Aktien, Immobilien).
(Teil 2)
IV. Die Stiftungsaufsicht
Insbesondere die gemeinnützige Stiftung unterliegt zumindest „auf dem Papier“ einer ständigen Aufsicht durch die Stiftungsbehörde, denn jährlich muss dieser eine Jahresabrechnung mit einer Vermögensübersicht und einem Bericht über die Erfüllung des Stiftungszwecks zur Prüfung vorgelegt werden (§ 6 Stiftungsgesetz NRW; § 4 Abs. 2 Nr. 2 Stiftungsgesetz MecklVP).
Ergeben sich Anhaltspunkte für Verstöße gegen Gesetz oder Satzung, kann auch auf Kosten der Stiftung ein Prüfer beauftragt werden (§ 5 Stiftungsgesetz MecklVP; § 6 Abs. 3 Stiftungsgesetz NRW).
Die Stiftungsaufsicht kann dann auch ein Vorstandsmitglied abberufen und die Berufung eines neuen anordnen (§ 8 Abs. 1 Stiftungsgesetz NRW; § 7 Stiftungsgesetz MecklVP).
V. Zulegung und Zusammenlegung
Nicht selten überlebt sich die Idee, die den oder die Stiftenden zur Gründung der Stiftung veranlasst hat. Dieser Fall tritt insbesondere dann ein, wenn Stiftende versterben und keine Nachfolger in Sicht sind, die sich den mit der Verwaltung der Stiftung einhergehenden Mühen unterziehen wollen.
Wie noch darzulegen sein wird, ist die Auflösung der Stiftung aus rechtlichen Gründen in den meisten Fällen nicht machbar. Dann bietet sich die „Zulegung“ zu einer anderen Stiftung oder die Zusammenlegung mit einer Stiftung als Lösung an, denn in der Regel wird sich eine Stiftung finden lassen, die Interesse daran hat, ihr zu verwaltendes Vermögen auf diesem Weg zu erhöhen.
Dabei bedeutet Zulegung, dass die übertragende Stiftung auf eine andere Stiftung verschmolzen wird, also in der übernehmenden Stiftung aufgeht (§ 86 BGB).
Bei der Zusammenlegung bringen zwei oder mehr Stiftungen ihr Vermögen in eine neue Stiftung ein (§ 86a BGB).
Auch diese Möglichkeiten stehen allerding nicht immer zur Verfügung. Beides bedarf der Zustimmung der zuständigen Behörde. Diese muss prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind.
Voraussetzung ist in beiden Gestaltungen, dass sich die Verhältnisse nach Errichtung der übertragenden Stiftung(en) wesentlich geändert haben und eine Satzungsänderung nicht ausreicht, um den Änderungen Rechnung zu tragen (§ 86 Nr. 1 BGB, § 86a Nr. 1 BGB).
Diese Voraussetzungen sind sicherlich gegeben, wenn fehlende Erträgnisse der Stiftung eine weitere Verfolgung des Stiftungszwecks dauerhaft unmöglich machen. Sie dürften aber auch dann gegeben sein, wenn ein Mitglied des Vorstandes ausscheidet und sich kein Nachfolger finden lässt.
Weiter muss getreu dem Primat des Stifterwillens die übernehmende Stiftung den Stiftungszweck der übertragenden Stiftung bzw. – bei der Zusammenlegung – der übertragenden Stiftungen weiterverfolgen (§ 86 Nr. 2 BGB und § 86a Nr. 2 BGB).
Schließlich müssen trotz Zulegung oder Zusammenlegung die „Rechte von Personen gewahrt werden, für die … Ansprüche auf Stiftungsleistungen begründet sind“ (§§ 86 Nr. 4 und86a Nr. 3 BGB). Dabei stellt das Gesetz ausdrücklich klar, dass die Rechte auf der Satzung der übertragenden Stiftung/Stiftungen beruhen müssen. Diese Voraussetzung wird der Zulegung oder Zusammenlegung bei gemeinnützigen Stiftungen nur selten im Weg stehen, denn in der Regel räumen Stiftungssatzungen den Destinatären schon deswegen keine klagbaren Ansprüche ein, weil die Höhe der zur Verfügung stehenden Erträge nicht feststeht.
Sind die Voraussetzungen für die Zulegung oder Zusammenlegung gegeben, wird die Behörde den zugrunde liegenden Vertrag genehmigen. Mit der Unanfechtbarkeit dieser Genehmigung geht das Vermögen über (§ 86f Abs. 1 und 2 BGB).
Fraglich ist, ob Gläubiger der übertragenden Stiftung oder Stiftungen ihre Ansprüche nun gegen die übernehmende Stiftung geltend machen können. Das Gesetz trifft hierzu ausdrücklich keine Regelung. Es bestimmt aber, dass ein Gläubigeraufruf im Bundesanzeiger erfolgen muss und dass Gläubiger unter bestimmten Voraussetzungen gegen die übernehmende Stiftung einen Anspruch auf Sicherheitsleistung haben (§§ 86g und 86h BGB). Dies deutet darauf hin, dass der Gesetzgeber hier eine Gefahr gesehen hat, was nicht nachzuvollziehen wäre, wenn die übernehmende Stiftung ohne Weiteres haften würde.
VI. Auflösung
Da die Stiftung für die Ewigkeit gedacht ist, hat der Gesetzgeber der Auflösung einen schweren Riegel vorgeschoben. Zwar sagt § 87 Abs. 1 BGB nur, dass der Vorstand die Stiftung auflösen soll, wenn der Stiftungszweck nicht mehr dauerhaft und nachhaltig verfolgt werden kann. Dies wird aber so interpretiert, dass die Auflösung aus anderen Gründen nicht möglich ist (Backert/Stürner in: BeckOK BGB, Einleitung § 87 BGB). Ob das absolut oder vorbehaltlich einer abweichenden Regelung in der Satzung gilt, ist umstritten (zum Meinungsstand Backert/Stürner in: BeckOK BGB, Einleitung § 87 BGB Rn. 1 und Richter Godron, Stiftungsrecht, 2. Aufl. 2023, S. 356).
Die Unmöglichkeit kann auf wirtschaftlichen oder rechtlichen Gründen beruhen. Wirtschaftliche Unmöglichkeit ist nur dann gegeben, wenn die Erträge der Stiftung die Zweckverfolgung selbst dann nicht ermöglichen, wenn der Stiftungszweck der neuen Lage angepasst würde (§ 87 Abs. 1 Satz 2 BGB), z. B. indem der Stiftungszweck reduziert wird, oder indem die Verwendung von Grundstockvermögen durch Umwandlung in eine Verbrauchstiftung (§ 85 Abs. 1 Satz 4 BGB) ermöglicht wird. Ferner wird keine Unmöglichkeit gegeben sein, wenn die Zweckverfolgung durch Zulegung oder Zusammenlegung gewährleistet werden kann.
Rechtliche Unmöglichkeit liegt bei einem Verbot vor, aber auch, wenn der Zweck vollständig erreicht wurde. Für die Verbrauchsstiftung hat der Gesetzgeber ausdrücklich festgelegt, dass sie aufzulösen ist, wenn ihre Zeit abgelaufen ist (§ 87 Abs. 2 BGB i.V.m. § 81 Abs. 2 BGB).
Neben der Auflösung der Stiftung durch ihre Organe hat der Gesetzgeber in § 87a BGB die Aufhebung durch die zuständige Behörde und in § 87b BGB die Auflösung kraft Gesetzes bei Insolvenz geregelt.
Das Stiftungsvermögen geht gemäß § 87c BGB mit der Auflösung/Aufhebung auf die in der Satzung bestimmten Anfallberechtigten über, ersatzweise auf den Fiskus. Bei der gemeinnützigen Stiftung werden Steuerbegünstigungen nur gewährt, wenn die Satzung auch für den Fall der Auflösung sicherstellt, dass das Stiftungsvermögen steuerbegünstigten Zwecken zugeführt wird. Wird die Satzung später so geändert, dass dies nicht mehr gewährleistet ist oder hält sich die Stiftung nicht an die Vorgaben, geht die Gemeinnützigkeit mit Rückwirkung verloren (§ 61 AO und zur tatsächlich abweichenden Handhabung AEAO 2023 Nr. 5 zu § 61 AO).
C. Auswirkungen für die Praxis
Insbesondere gemeinnützige Stiftungen erfüllen in unserem Gemeinwesen eine wichtige Funktion, weil sie das bürgerschaftliche Engagement fördern, was Menschen im Inland und Ausland zugutekommt. Auf der anderen Seite ermöglicht es daneben den Stiftenden, in gewisser Weise auch über den Tod hinaus wirksam zu bleiben und so in gewisser Weise fortzuleben. Also eine Win-win-Situation.
Die Reform des Stiftungsrechts erleichtert das Engagement über eine Stiftung, weil nunmehr vieles geregelt ist, was vorher nicht geregelt oder streitig war. Die Rechtsicherheit wurde somit gesteigert, was nicht zuletzt den Anwälten zugutekommt.
Das gilt insbesondere, wenn es um die Haftung der Stiftungsvorstände geht, die geregelt und erleichtert wurde.
Geklärt ist jetzt auch, dass Gewinne aus der Umschichtung von Stiftungsvermögen für Stiftungszwecke verwendet werden können.
Für Stiftungen, die wegen eines zu kleinen Vermögens keine Perspektive hatten, wurden Möglichkeiten des Zusammengehens mit anderen Stiftungen eröffnet.
D. Literaturhinweis
Richter Godron, Stiftungsrecht, 2. Aufl. 2023, S. 271 ff.
Fußnoten
1) Abrufbar unter www.stiftungen.org.
2) Vgl. zu den besonderen Ausprägungen Richter, Stiftungsrecht 2023, S. 381 ff.
3) Die Stiftung, Juni 2024, S. 15.
4) Vgl. hierzu Ellenberger in: Grüneberg, 83. Aufl. 2024, Vorb. v. § 80 BGB Rn. 12.
5) OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.11.2000 - 20 W 192/00 - NJW-RR 2002, 176; Ellenberger in: Grüneberg,
83. Aufl. 2024, Vorb. v. § 80 BGB Rn. 14.
6) Vgl. Seyfarth, Der Schutz der unselbstständigen Stiftung, Diss., Jena 2007/2008.
7) ChatGPT-Anfragen vom 19.06.2024.
8) Auswertung einer Erhebung des Bundesverbands Deutscher Stiftungen durch Die Stiftung, Juni 2024, S. 14 f.
9) Ellenberger in: Grüneberg, § 81 BGB Rn 3.
10) Ellenberger in: Grüneberg, Vorb. vor § 80 BGB Rn. 16.
11) Zitiert nach Die Stiftung, Juni 2024, S. 16.
12) Die Stiftung, Juni 2024, S. 15.
13) Richter Godron, Stiftungsrecht, 2. Aufl. 2023, S. 271.
14) Ellenberger in: Grüneberg, § 83c BGB Rn. 2.
15) Zum Meinungsstand Vgl. Richter Godron, Stiftungsrecht, 2. Aufl. 2023, S. 272.
16) Ähnlich Richter Godron, Stiftungsrecht, 2. Aufl. 2023, wonach es aber wohl an der Stiftung sein soll, hierüber zu bestimmen.
17) Nacke/Gorna, AnwZert HaGesR 1/2020 Anm. 1; Nacke/Gorna, AnwZert HaGesR 2/2020 Anm. 2.
Copyright: Dr. Reinhard Nacke, Düsseldorf